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Die Bilder von Roman Mikos führen den Betrachter auf eine spannende Reise in abstrakte Farblandschaften, die die Gesetze des realistischen Sehens hinter sich lassen. Vor allem spielt Mikos mir der Eigenproduktivität des Betrachters, der in dem Farbzusammenhang Geschichten, Ansichten, Figuren etc. herausliest und damit einen sehr individuellen Zugang zum Werk findet. Die Bilder bieten keine konkreten figurativen oder emotionalen Vorgaben, sondern vertrauen auf die Fähigkeit des Betrachters, sich seinen individuellen, visuellen Weg zu bahnen.

Es entstehen autonome Farbwelten. Autonom deswegen, weil hier Farbe keine gegenstandsbeschreibende Funktion mehr hat. Sie ist nicht bloßes Füllmittel, um Formen hübsch auszumalen. Sie darf sie selbst sein, mit allen Möglichkeiten, die in ihr stecken. Dazu gehört auch, dass sie selbst Form ist, und zudem Medium der Formung.

Farbe übernimmt in den Bildern von Mikos eine bildkonstruktive Funktion. Es entstehen Landschaften, rein aus Farbe gebaut. Die Farbe übernimmt in diesen fragilen und vorläufigen Konstellationen die Regie.

Es handelt sich nicht um bekannte Ausprägungen von Landschaften, sie sind nur geistig begehbar, den Gesetzen der Schwerkraft und der Logik stets widersprechend.

Die Bilder von Roman Mikos erzeugen eine seltsame Form von abstrakter Plastizität, auf keinen Fall ist das Werk flächig strukturiert. Diese seltsame abstrakte Plastizität führt dazu, dass der Betrachter in abstrakt-surrealen Landschaften auf Streifzug geschickt wird, und es wird von ihm verlangt, hinter die Farbdukten und Farbelemente zu blicken, um die Welt dahinter in Augenschein zu nehmen.

Vertrauens und Unbekanntes stellen sich im Werk von Roman Mikos gegenseitig auf die Probe. Farben überschneiden sich, bilden dadurch räumliche Hierarchien, hier kommt ein vertrautes Prinzip zum Vorschein, das Hintere wird verdeckt, wird unsichtbar – gleichzeitig also auch verrätselt. Andererseits wird der Betrachter aufgrund der Ungegenständlichkeit gezwungen, sich in dem Werk eigenständig zurechtzufinden. Es wird ihm selber Autonomie abverlangt. Es muss das Unbekannte bezwingen. Die Bilder von Roman Mikos beinhalten also ein Transformationspotential, die geistigen Möglichkeiten des Betrachters werden neu gemischt, dadurch wird sein Sehen und Denken flexibilisiert.

Gleichzeitig kommt an jeder Stelle innerhalb eines Bildes der Kampf um Autonomie des Künstlers zum Vorschein. Jede Farb-Form-Entscheidung ist Ausdruck des Freiheitsgedankens, der sich als Leitidee über den einzelnen Werken manifestiert.

Die Werke von Mikos öffnen sich der Idee der Freiheit, verstanden als eine Art abstrakter Schwebezustand zwischen Aufbruch und Neuformung. Es werden keine eindeutigen festen Strukturen präsentiert, alles befindet sich wie gesagt in einem fragilen Schwebezustand.

Es handelt sich um eine festgefrorene Momentaufnahme eines dynamischen permanenten Transformationsprozesses, eine Momentaufnahme eines langwierigen Schöpfungsaktes.

Der Prozess des Wahrnehmers wird wahrlich als Prozess wahrgenommen.

Bei Betrachtung der Arbeiten von Roman Mikos wird suggeriert, als könnte man dem Künstler beim Arbeiten zusehen. An jeder Stelle des Bildes wird das Denken und Handeln des Künstlers direkt veräußert.

Der Malprozess selbst wird dem Betrachter offen zur Schau gestellt. Jeder Farbfleck präsentiert sich als gestalterische Entscheidungsstelle des Künstlers.

Der Malstil von Roman Mikos ist als offen zu bezeichnen. Jeder Farbfleck zeugt von Direktheit des gestalterischen Agierens, das malerische Handeln wird unverblümt und ehrlich präsentiert, die Wirkung ist ungerichtet, spontan, momenthaft, Angebote der Produktivkraft des menschlichen Geistes.

Die vorhandene Farbkontraste erscheinen wie Denkprodukte eines Denkens, dass sinnlich wird und sich sinnlich entfaltet, das den Betrachter sinnlich berührt, aber diesen zugleich die kreative Denkleistung offeriert.

Roman Mikos nutzt Farbe für das geistige Experiment mit sich selbst. Das Werk wird Stück für Stück durch Farbe gebaut und Farbmaterie gebaut. An jeder Entscheidungsstelle muss der Künstler neu und anders entscheiden, diese Nahtstellen des autonomen Füllens von Zukunft werden dem Betrachter direkt eröffnet, er erhält einen direkten Einblick in die künstlerischen Qualen, sich nicht auf Routinen des Sehens und Denkens ausruhen zu dürfen.

Denken und Malprozess werden eins.

Roman Mikos ist ein sehr konzentrierter und ausdauernder Maler, der in ständiger Interaktion zwischen seinen menschlichen Dispositionen und den hohen Anforderungen einer autonomen Malerei wirkt.

Jegliche konzeptuelle Veränderung geschieht bei Mikos auf der Leinwand selbst. Die Leinwand ist der privilegierte Schauplatz der Ideenentfaltung. Es wird nicht an einem bereits kompositorisch und farblich vorentwickelten Konzept durchgängig bis zur endgültigen Durchführung gearbeitet. Vielmehr schließt sich Mikos mit seinem sinnlichen Gegenüber in einem intensiven, zukunftsoffenen malerischen Prozess ein, in dem eine tastende, aber immer dichter werdende Annährung aneinander sich vollzieht. Das Bild wird – über zahlreiche Um- und Irrwege – regelrecht geboren. Spontaneität wird reflexiv gelenkt und mündet in einem intensiven praktischen und theoretischen Dialog.

Roman Mikos studierte 1974-1980 in Warschau an der Technischen Hochschule Architektur und anschließend vier Jahre lang an der Akademie der Bildenden Künste.

Bis vor kurzem studierte er einige Semester an der Wiesbadener Freien Kunstschule, um seine bereits ausgereiften malerischen Fähigkeiten zu bereichern und zu vervollkommnen.

Er adaptierte das Studienprogramm der wfk, lies sich unvoreingenommen auf es ein, blieb aber immer seinem eigenen Denken und Wirken treu.

Die hier ausgewählten Bilder sind eine Phase, eine Momentaufnahme seines künstlerischen Schaffens. Sie bilden die Durchgangschleuse zu immer neuen Ideen. Künstlerischer Stillstand ist für ihn tabu. Diese Offenheit im Denken überträgt sich auf den Betrachter. Er leckt anhand dieser Bilder den Geschmack des Neuen.

Wenn man Roman Mikos beim Arbeiten beobachtet, dann scheint vor allem die besondere Lust durch, sich Gestaltungskrisen aktiv und souverän zu stellen. Meistens wird er mit einem gelungenen, da mit seinen Wurzeln ausgegrabenen Werk belohnt.

 

Michael Becker, Leiter der Wiesbadener Freien Kunstschule
Wiesbaden, Februar 2011

 

 

 

 

Roman Mikos
Form durch Farbe